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Das Dinghi-Debakel

  • Autorenbild: Kerstin
    Kerstin
  • 1. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

Nach dem Morning-Swim und einer Tasse Kaffee sind wir bereit zur Weiterreise. Weil für die nächsten Tage nördliche Winde angesagt sind, möchten wir weiter in den Süden segeln, brauchen aber jeweils einen borasicheren Unterschlupf für die Nacht, denn da soll es ordentlich fetzen. Also peilen wir das Bojenfeld in Molat an, wo es gemäss Community neue gut verankerte Bojen gibt und alternativ auch eine geschützte Ankerbucht zur Verfügung steht.

Ruby segelt wunderbar vor dem Wind nur mit der Genua. Auf dem Weg sehen wir: viele kleine und grössere Inseln, viele kleine und grössere Schiffe, Dörfchen, die nur aus ein paar wenigen Häusern bestehen, Leuchttürme, einen wolkenlosen Himmel bei sehr bescheidener Fernsicht. Wir sehen nicht: Delfine, das Festland, unsere Segelfreunde aus Ingolstadt, die leider vorzeitig die Rückfahrt antreten mussten. Als wir zwischen Škarda und Ist durchsegeln, überrascht uns eine zünftige Düse bei gleichzeitig hohem Verkehrsaufkommen. Segelyachten von links, rechts, vorne und hinten, und wir nur mit der Genua oben. Es bleibt wenig Platz zum Ausweichen zwischen den Inseln und Inselchen, und der Wind frischt immer mehr auf. Ich, Kerstin Schlaufuchs, nicht im Besitz nennenswerter Segelbrevets, fange an, über die Nachteile des Segelns nur mit Genua zu referieren, insbesondere auf Amwindkurs (den wir inzwischen notgedrungen einschlagen mussten), während Hochseeskipper Stephan mir einzureden versucht, gewisse Segelprofis würden immer nur und ausschliesslich unter Vorsegel fahren. Spricht‘s, während unsere arme Genua schlägt und knallt und unser Schiff sich ächzend auf die Seite legt. Aufgrund meines Gequengels schlägt der Kapitän einen anderen Kurs ein, der uns mit gerefftem Vorsegel safe um die Felsen manövriert und uns zwar einige zusätzliche Meilen auf die Logge beschert, aber letztlich wohlbehalten in die Bucht von Molat führt. Das Bojenfeld bietet noch reichlich Platz, aber ich setze erneut zu quengeln an und möchte unbedingt noch die hochgerühmte Ankerbucht anschauen. Die überzeugt uns allerdings überhaupt nicht, weil sie deutlich weniger Schutz vor dem aktuell tüchtig pfeifenden Nordwind bietet.

So schnappen wir uns eine Boje (perfektes Manöver, versteht sich) und gucken uns die vorgelagerte Miniinsel auf der einen und den Ort Brgulje auf der anderen Seite an. Nach drei Segeltagen dürstet uns nach einem Landgang, um die eingerosteten Knochen mal wieder zu bewegen. Aber mit Landgängen ist das so eine Sache. Man braucht mindestens mal ein funktionierendes Beiboot, um ans Ufer zu

gelangen. Ein Blogbeitrag aus dem letzten Jahr erwähnt, dass unser altes Dinghi buchstäblich seinen letzten Atem ausgehaucht hatte, so dass bereits im August 24 Landgänge allenfalls noch schwimmend möglich waren. Diesmal sind wir -vermeintlich- besser vorbereitet. Stephan wäre nicht Stephan, wenn er nicht in den Tiefen seiner Sammlergarage ein Dinghi ausgegraben hätte, das wir mal irgendwann („noch gar nicht so lange her“) irgendwo („in Holland??“) erstanden und nie wirklich gebraucht hatten. Das Teil ist knallgelb und erhält daher von mir aus ästhetischen Gründen das Go für den neuen T/T Ruby, zumal Stephan schwört, er habe es aufgepumpt, und es habe 4 Tage lang tipptopp die Luft behalten. Zudem ist es kleiner, leichter und handlicher als das bisherige, also ideal für unsere alternde Zweiercrew.

Die Jungfernfahrt machen wir noch in der Marina Cres. Wir unternehmen einen Badeausflug zum gegenüberliegenden Strand und weihen gleichzeitig die neu erworbene Schlauchboot-Badeleiter ein. Die hatte ich mir gewünscht, damit ich mich beim Einstieg vom Wasser aus nicht mehr wie ein gestrandeter Wal über den Gummiwulst hieven muss. Beides besteht die Feuertaufe hervorragend. Bei der Rückkehr zu Ruby müssen wir jedoch einen diskreten Luftverlust im linken Schlauch konstatieren, den Stephan aber mit einem „Ich hab es nicht maximal aufgepumpt“ ignoriert.

Was soll man sagen, tags drauf sieht das sonnengelbe Gummiboot aus wie eine sonnengelbe Flunder, daran ändert auch wiederholtes Pumpen und die Kontrolle der Ventildichtungen nichts.

Und so segeln wir auch 2025 mit einem platten Dinghi los und müssen auf die kurzweiligen Landgänge grösstenteils verzichten.

Nicht aber in Molat: das Ufer ist nicht weit entfernt, so dass wir dem schwächelnden Beiboot zutrauen, uns dorthin zu transportieren, bevor ihm die Luft ausgeht. Und so kommt es, dass Stephan pumpt, wir uns mit Luftpumpe ausgerüstet ins Böötle setzen und an Land fahren. Dort ziehen wir es auf den Strand, damit die Metamorphose zur Flunder nicht im Wasser erfolgt und das Boot absäuft. Für den Rückweg müssen wir halt wieder pumpen.

Im Dorfladen füllen wir zu Mondpreisen die Vorräte an Kaltgetränken wieder auf. Die Verkäuferin geriert sich spassbefreit und reagiert nicht auf unsere kroatischen Witze. Könnte aber durchaus an unserem Kroatisch liegen.

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Wir enden, in einer Hand eine Tüte mit Bierdosen, in der anderen eine Luftpumpe, in einem der beiden Dorfrestaurants und speisen vorzügliche Fischgerichte zu Schweizer Preisen. Es wundert uns kaum, dass die meisten Yachties, die vor Boje liegen, offenbar die Bordküche bevorzugen. Wir geniessen dennoch Essen und Ausblick und erreichen unser Schiff gestärkt und zufrieden. Im Cockpit liegend bewundern wir den Sternenhimmel, der uns an diesem Abend ein ganz besonderes Schauspiel bietet. Wie an einer Perlenkette ziehen unzählige Lichtpunkte geräuschlos über den Nachthimmel. Eine Kampfjetformation? Drohnen? Chat GPT weiss die Antwort: es sieht ganz nach kürzlich gelaunchten Starlink-Satelliten aus! Das haben wir so auch noch nie gesehen.

Als wir in die Koje kriechen, liegt das gelbe Dinghi wieder luftleer auf dem Vorschiff. Aber für den ersehnten Landgang hat‘s gereicht!

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